Interview mit Vincent Keymer

78_K-STEF6314.JPG


Frage: Vincent, du kommst aus einem musikalischen Haushalt, spielst selber ein Instrument. Was für Musik hörst du vor einer wichtigen Partie?

Antwort: Das wechselt. Ich höre oft Klaviermusik oder Klavierkonzerte. Zu Weihnachten habe ich eine CD-Box mit allen Sinfonien von Beethoven geschenkt bekommen. Die höre ich zur Zeit sehr gerne, manchmal auch beim Training.

Frage: Mit dir wird häufig der Begriff „Wunderkind“ verbunden. Was ein wenig danach klingt, dass einem etwas zufällt. Du arbeitest aber sehr hart für deinen Erfolg. Wie sieht eine typische Trainingswoche bei dir aus?

Antwort: Auch hier habe ich keine Standardabläufe. Nach einem Turnier arbeite ich anders als vor einem Turnier, viel Zeit geht für Eröffnungsarbeit drauf. Was den Zeitumfang angeht, muss ich auch sehen, wie viel Zeit die Schule übrig lässt: An manchen Tagen hab ich fast den ganzen Nachmittag zur Verfügung, an anderen bleibt viel weniger Zeit als gedacht. Da muss man spontan entscheiden, was Sinn macht.

Frage: Du spielst inzwischen in der Bundesliga für die Schachfreunde Deizisau. Wie gefällt dir die stärkste Liga der Welt und wie ist deine Saison bisher gelaufen?

Antwort: Am Anfang war es schon etwas aufregend, speziell die erste Runde in Baden-Baden. So langsam gewöhne ich mich an die Abläufe und die Atmosphäre, dementsprechend sind meine Ergebnisse. Aber es macht schon Spaß, Bundesliga zu spielen und auch die Partien um mich herum mitzubeobachten.

Frage: Von dir wird von allen möglichen Seiten viel erwartet und du hast schon viel erreicht. Wer dich kennenlernt merkt, dass dir der ganze Trubel wenig auszumachen scheint und du weiterhin „auf dem Boden“ geblieben bist. Wie schafft man es so bodenständig zu bleiben, wie du es bist?

Antwort: Der Trubel hat mehrere Aspekte. Es ist mir gar nicht so wichtig, alles zu lesen, was über mich geschrieben wird. Fernsehkameras, die mich während der Partie beobachten oder Zuschauer, die mich während der Partie ansprechen oder einfach Selfies machen, können mich schon stören. Andererseits habe ich durch ein gewisses öffentliches Interesse auch viele Möglichkeiten, die ich sonst nicht hätte. Und vielleicht würde ich auch Interviewanfragen irgendwann vermissen, wenn keine mehr kämen.

Frage: Die Deutsche Mannschaft in der du bei der EYTCC spielst zählt zu den Mitfavoriten. Wie schafft man sich davon zu lösen und sich von Partie zu Partie neu voll zu konzentrieren?

Antwort: Dabei hilft mir sehr, dass ich schon einige EM s und WM s gespielt habe. Dabei habe ich schon öfter zu den Mitfavoriten gezählt und musste lernen, mit diesem Druck umzugehen. Und letztlich gilt ja für jedes Spiel, dass man nicht so sehr ans Ergebnis denken sollte, sondern sich auf das Spiel konzentrieren sollte.

Frage: Du willst mal zu den Großen des Schach zählen, wer ist unter den Top-Spielern dein großes Vorbild?

Antwort: Ich habe kein direktes Vorbild. Alle starken Spieler finde ich bewundernswert, eben weil sie so gut spielen. Persönlich beeindruckt mich aber Vishy Anand sehr. Er ist verhältnismäßig spät Großmeister geworden, wurde Weltmeister und spielt weiterhin in der absoluten Weltspitze zwischen teilweise deutlich Jüngeren.


Vincent, vielen Dank für das Gespräch!


Jonathan Carlstedt



Druckbare Version
Seitenanfang nach oben